Es ist ein Januarabend, und während es draußen düster wird, beschäftigt sich der närrische Philosoph und Tonkünstler Heribald Hämmerle mit Fragen, die ihn in dieser Zeit immer wieder umtreiben.
„Und so habe ich mich gefragt“, berichtet mir Heribald Hämmerle, „wenn wir uns dieses Jahr schon nicht gemeinsam auf dem Festplatz treffen dürfen, und keine Fasnachtsveranstaltungen stattfinden, sollen wir dann nicht jungen Leuten, die einen Partner suchen, mit Anregungen und Hilfestellungen auf die Sprünge helfen? So ist mir als Musiker und Komponist dann beim Schneeschippen eine fantastische Idee gekommen. Wäre es nicht schön, wenn wir die Kultur der Troubadoure wieder neu ins Leben rufen? Vor Freude über diesen Einfall habe ich fast heulen müssen“, verrät er mir leicht verlegen.
Ja, auch ich finde die Idee vom Heribald gut, wenn statt der Trommeln und Fanfaren, anstatt des kräftigen Spiels der Psycho-Band und der lauten Narrenrufe sich still und unbemerkt etwas Neues vorbereitet. Ich habe dieses Bild schon vor Augen, wie sich bei beginnender Dunkelheit viele junge Männer als Minnesänger aufmachen, um vor dem Haus ihrer Angebeteten ein Liebeslied anzustimmen. Anmutige Mädchen mit roten Wangen und pochenden Herzen erwarten ihre Verehrer, um dann mit schönen Gewändern und leuchtenden Augen auf dem Balkon zu erscheinen.
Allein die Vorstellung ist köstlich, wenn sich nach dem Lärm des Tages in der Stille der Nacht ein Hauch von Romeo und Julia über die Insel legt, und das große, uralte Spiel der Liebenden beginnt, in dem so viel Hoffnung, so viele Erwartungen, aber auch Enttäuschungen innewohnen. Denn wo immer ein Musiker sein Instrument anstimmt, wo immer ein Sänger ein Lied singt, er will mit seinem Spiel nicht nur berühren, er will auch verführen. Und obwohl es alle wissen, geht doch der Vorhang immer wieder auf, das Spiel beginnt, und es entfaltet sich immer wieder neu.
Heribald Hämmerle meint, auch bei ihm habe es so eine Zeit gegeben. Er könne sich aber an die Texte seiner vorgetragenen Lieder nicht mehr genau erinnern. Entscheidend sei aber nicht nur die Wahl des Musikstückes, sondern auch das Durchhaltevermögen der Sänger. Es kann ihre Chancen bei den jungen Damen durchaus erhöhen, wenn sie ihr Glück unter verschiedenen Fenstern oder Balkonen versuchen.
In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage von Andreas M. von der Reichenau interessant, der sich einer Forschungsgruppe in Tübingen angeschlossen hat, die sich mit Menschen während der Paarungszeit beschäftigt. In dieser Studie stellte Andreas M. überraschend fest, dass ein Lied mit der Stimme eines Roland Kaisers, das von einer jungen, weiblichen Person gehört wird, zu einer unerwarteten Paarungsbereitschaft führen kann. „Allerdings“, so Andreas M., „könnten in manchen Fällen auch noch das Aussehen des Sängers, seine prächtige Eigentumswohnung oder die Aussichten auf ein ansehnliches Erbe zu einer Liebesbeziehung führen.“
Oh, ihr Frauen von der Reichenau, macht die Fenster auf und eure Herzen weit! Es werden Minnesänger kommen, euch ein Lied zu singen. Ein Liebeslied.
Diese Fasnacht wird schön.  

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