Unter den Prominenten von Kunst und Kultur hat ein großes Aufräumen begonnen. Es vergeht kein Tag, und das seit Wochen, an dem wir nicht erfahren, welcher Freischaffende sich in seiner Wohnung nicht mehr wohl fühlt, weil er auf einmal eine Unordnung bemerkt hat.
Dabei, so wird uns berichtet, sei ein bekannter Musiker schon zufrieden gewesen, endlich einmal seine alte Plattensammlung und sein Bücherregal neu zu ordnen, während andere ein generelles Ausmisten und Renovieren für nötig fanden, wobei nicht selten auch Angehörige der Familie vorübergehend eine neue Bleibe suchen mussten. Wenn wir die überraschende Nachricht erhalten, dass ein Bühnenstar monatelang gekramt und geputzt hat, darf man sich die Frage stellen, in welchem Zustand sich seine Wohnung vor diesen 4 Monaten befunden hat.
Nicht wenige nahmen diese „Heimsuchung“ wörtlich und entdeckten etwas, das sie gar nicht suchen und finden wollten. Denn bei all diesem Kramen kamen Dinge ans Licht, die sie sehr berührten. Kreative Menschen, das wissen wir, haben ein empfindsames Inneres, und wenn wehmütige Erinnerungen an ihrer Seele nagen, kann es für ihr Schaffen fatale Folgen haben. Mit einem willigen Ohr vernehmen wir diesen Trübsinn in ihren Liedern, und es tut auch uns weh.
Der bekannte Unterhaltungskünstler Helge Schneider fand beim Entrümpeln seiner Abstellkammer einen großen Karton, in dem sich neben Brillen, Perücken, diversen Kappen und Hüten auch das Katzenklo befand, das er einmal besungen hatte. Als er dieses Klo nach so langer Zeit wieder in den Händen hielt, berichtete er einem bedeutenden Boulevard-Blatt, hätte er geheult wie ein kleines Kind. „Wie kann ich nur so unordentlich sein, ich habe doch mit „Katzenklo“ so viel Erfolg gehabt.“
Es ist erschütternd, äußerte sich auch Matthias Reim, wie mich alte Zeilen wieder aufwühlen konnten. Jahrelang hatten Texte von früheren Liebschaften in einem alten Leitz-Ordner ihre Ruhe, und er endlich seinen Frieden gefunden. Jetzt, nachdem er sein Leben wieder neu strukturiert hatte, wollte er – nach langem Aufschieben – auch seine Unterlagen neu sichten. Und dann starrte er wie gebannt auf dieses Blatt, das er nach so vielen Jahren wieder in seiner Hand hielt. Was darauf stand, wollte er doch vergessen: „Verdammt, ich lieb dich.“ Er erinnerte sich noch genau. Es war der 23. November und über dem Bodensee lag eine dicke Nebeldecke. Die Sehnsucht nach Wärme und Liebe war nur verständlich. Und kaum eine Woche später: „Ich lieb dich nicht.“ Verdammt, er brauchte doch diese Frau. Warum schrieb er dann damals „Ich brauch dich nicht“? Und jetzt denkt er wieder nur an sie. Matthias Reim setzt sich an seinen Schreibtisch. Er ist sich in diesem Augenblick nicht mehr so sicher, ob das mit dem Aufräumen eine gute Idee war. Ich brauch das doch, verdammt nochmal, nicht machen!
So fand Jürgen Drews in einem ausgemusterten Koffer eine alte Wolldecke, die er lange nachdenklich betrachtete. Als er jung, und es Sommer war, brauchte er kein Bett, nur diese Decke. Er fand sein Bett im Kornfeld. Mehr brauchte er damals nicht. An das Mädchen erinnerte er sich, das mit dem Fahrrad vorbeikam und ihn bedauerte, weil er kein richtiges Bett besaß. Da hatte er lachend seine Gitarre genommen und ihr von seinem Leben erzählt und den Betten im Kornfeld, die überall frei sind, und den Blumen und… Das Mädchen dachte, da ist doch nichts dabei, wenn ich bleibe, und blieb noch bis man den Sternenhimmel sehen konnte. Später träumten sie, das Heu duftete, und dann sangen auch noch die Grillen.
Ja, so war’s – oder so ähnlich!

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